Am vergangenen Samstag wollten die Schwäbisch Hall Unicorns eigentlich mit dem Vorbereitungsspiel gegen die Helsinki Roosters in die Saison 2020 starten. Doch die Corona-Krise hat sämtliche Planungen der deutschen Football-Vereine auf den Kopf gestellt. Im Interview beantworten der Vorsitzende Jürgen Gehrke und Head Coach Jordan Neuman Fragen rund um die Lage und die Sicht der Dinge bei den Unicorns.

 

Mal ganz platt gefragt: Sehen wir 2020 ein Footballspiel im OPTIMA Sportpark?

 

Jürgen Gehrke: Ich hoffe es, aber ich weiß es nicht und Prognosen kann man dazu derzeit eigentlich leider auch keine abgeben. Fakt ist, dass die Gesundheit unserer Spieler, Trainer, Betreuer und Fans an oberster Stelle steht und ich gebe zu: Ein Spiel mit 2.000 Zuschauern und jeweils rund 80 Leuten in den Teamzonen kann ich mir angesichts der aktuellen Lage und mit allem, was wir über Corona wissen, in diesem Jahr nur schwer vorstellen.

 

Das heißt, dass es 2020 keine GFL-Saison geben wird?  

 

Jürgen Gehrke: Es wird sicher keine GFL-Saison geben, wie wir sie kennen und heute schon alle vermissen. Wenn ein Spielbetrieb möglich wird, dann werden wir mit Abstrichen leben müssen. Das ist angesichts der gegebenen Umständen aber auch nicht schlimm. Das Level der letzten Jahre werden wir 2020 alle weder sportlich noch organisatorisch erreichen können und das sollte auch nicht zur Bedingung oder Voraussetzung für eine Entscheidung über den Spielbetrieb gemacht werden. Da müssen Ansprüche und Erwartungshaltungen aus der Vor-Corona-Zeit eben etwas zurückgeschraubt werden. Wir sagen aber: Besser ein paar „andere“ GFL-Spiele, als gar keine! Natürlich nur dann, wenn es uns die allgemeine Corona-Lage mit zumindest verantwortbaren Risiken erlaubt.

 

Wie kann man sich solche „anderen“ GFL-Spiele vorstellen?

 

Jürgen Gehrke: Verband, Liga und Vereine arbeiten auf der Grundlage verschiedener Szenarien an unterschiedlichen Modellen, die uns eventuell einen wie auch immer ausgestalteten Spielbetrieb erlauben könnten. Da kommt jede denkbare Möglichkeit auf den Tisch. Alles hängt aber davon ab, wie sich die Corona-Pandemie, die von ihr ausgehenden Gefahren und die behördlichen Auflagen gestalten. Man muss sich ja nur mal vorstellen was passieren würde, wenn bei einem Spieler eine Corona-Infektion festgestellt werden würde. Das hieße nach aktuellem Stand dann zwei Wochen Quarantäne für sein Team und das des Gegners, also zwei Wochen kein Training und kein Spiel in zwei Vereinen. Egal wie der Spielplan aussieht, er wäre gekippt. 

 

Also die GFL-Saison am besten jetzt gleich absagen?

 

Jürgen Gehrke: Dafür sehe ich im Moment noch keinen Grund. Man kann zwar über ein Ligamodell und einen Ligastart heute noch nicht sinnvoll entscheiden, aber niemand von uns weiß, wie sich die Corona-Lage in den kommenden Wochen entwickeln wird. Solange ein Funke Hoffnung bleibt, dass es 2020 Spiele geben kann, muss man auch nicht definitiv absagen. Man wird natürlich nicht ewig mit einer Entscheidung warten können, aber ich sehe den zwingenden Zeitpunkt dafür noch nicht als gegeben.

 

Jordan Neuman: Der Zeitpunkt ist aus meiner Sicht dann gekommen, wenn ein verkürzter Spielbetrieb mit einer ungefähr vierwöchigen Vorbereitungszeit in diesem Jahr nicht mehr umsetzbar wäre. Dann bliebe nur noch die Hoffnung, dass wir im Herbst eventuell noch das eine oder andere Freundschaftsspiel bestreiten könnten. Sehr wenig, aber auch das wäre noch besser als gar nichts.

 

Wären Geisterspiele mit Livestream-Angeboten für Euch denkbar?

 

Jürgen Gehrke: Technisch ja, aber das ist in erster Linie eine Frage der Finanzierung. Eintrittsgelder und Catering-Umsätze würden wegfallen und man müsste mit einem bezahlten Livestream bei einem Heimspiel zumindest so viel erwirtschaften können, dass es für die Kosten eines eventuell auch abgespeckten Teams, für die Stadionmiete, die Technik und die Schiedsrichter sowie für mindestens das nächste Auswärtsspiel reicht. Ob das möglich ist, weiß niemand so genau und die Prognosen gehen da weit auseinander. Außerdem ist ja auch bei Geisterspielen die Frage des Gesundheitsrisikos für Spieler, Trainer und Betreuer noch nicht gelöst.  

 

Die Unicorns haben auf der Grundlage der baden-württembergischen Corona-Verordnung für Spitzensport von der Haller Stadtverwaltung die Erlaubnis erhalten, unter strengen Auflagen wieder mit dem Training zu beginnen. Wie gestaltet sich das jetzt? 

 

Jordan Neuman: Weil wir nur in Gruppen von fünf Personen trainieren dürfen, haben wir einen detaillierten Plan auf Namensebene für die einzelnen Einheiten erstellt. Jede dieser Einheiten müssen wir dokumentieren und der Stadtverwaltung melden. Körperkontakte sind nicht erlaubt und es muss ein Abstand von mindestens 1,5 Metern eingehalten werden. Meist sind wir aber deutlich weiter voneinander entfernt. Trainingsgeräte wie Bälle und Dummies müssen desinfiziert werden. Es ist natürlich völlig anders, als ein normales Training. Aber es tut uns allen gut, uns zumindest in den kleinen Gruppen wieder zu sehen und miteinander reden zu können. Außerdem ist Training an der frischen Luft eine der besten Möglichkeiten, das Immunsystem zu stärken. Ich finde es gut, dass wir unseren Spielern dazu Gelegenheit geben können.

 

Es gibt Stimmen, die den Unicorns ankreiden, dass die Wiederaufnahme des Trainings unfair gegenüber den anderen GFL-Teams sei. Manche reden sogar von Wettbewerbsverzerrung. Wie seht Ihr das?

 

Jordan Neuman: Das sehen ich nicht so! Die meisten Footballer, die in der aktuellen Situation die Möglichkeit zu einem Training bekommen, würde das genauso tun. Oder sie trainieren jetzt auch schon, nur eben alleine auf irgendeiner Wiese. Von einem echten Footballtraining sind wir in Gruppen von fünf Personen und ohne Kontakt ja auch noch meilenweit entfernt. Ich bin meinen Spielern gegenüber verantwortlich. Wenn ich die Möglichkeit habe, ihnen ein Training auf dem Feld unter strikten Auflagen anzubieten, das ihre physische und mentale Verfassung stärkt und sie auf eine mögliche Saison vorbereitet, dann tue ich genau das.

 

Jürgen Gehrke: Für mich sind diese Vorwürfe haltlos! Wenn man so denkt, dann müsste man ja auch in Nicht-Corona-Zeiten jeden lokalen Vor- oder Nachteil einzelner GFL-Standorte, wie z.B. unterschiedliche Fördergelder, Stadiongebühren oder Trainingsgelände, als unfair oder wettbewerbsverzerrend werten. Außerdem hatten wir, als wir auf unsere Stadtverwaltung zugegangen sind, durchaus auch die anderen GFL-Standorte im Blick. Vielleicht können sich deren Stadtverwaltungen ja dem Haller Beispiel anschließen.

 

Warum trainiert ihr überhaupt, wenn doch noch gar nicht klar ist, ob es in diesem Jahr einen Spielbetrieb geben wird bzw. wenn es einen gibt, wann dieser startet?

 

Jordan Neuman: Weil wir Football lieben! Solange es keine andere Entscheidung gibt, gehen wir davon aus, dass wir 2020 auf dem Feld stehen werden und darauf bereiten wir uns vor. Wir würden das aber auch tun, wenn heute schon klar wäre, dass es in diesem Jahr keine Saison gibt, was wir wie gesagt nicht hoffen. Die Alternative hieße doch, dass wir jetzt über mehr als ein halbes Jahr nichts tun und dann versuchen, für die Saison 2021 den Rost aus den Gliedern und Köpfen zu bekommen. Das kann sich bei uns niemand vorstellen! Deshalb wäre es auch toll, wenn wir in der zweiten Mannschaft und in den Jugendteams möglichst bald wieder die Möglichkeit für ein wie auch immer ausgestaltetes Training bekommen würden. Aber ich verstehe, dass daran aktuell leider noch nicht zu denken ist.  

 

Jürgen, Du hast bei der Frage zu den Geisterspielen bereits einen finanziellen Aspekt angeschnitten. Welche Auswirkungen hat die Krise denn generell auf die Finanzlage der Unicorns?

 

Jürgen Gehrke: Da geht es uns zunächst mal wie allen anderen Vereinen und Unternehmen auch: Die Pläne für 2020 sind Makulatur! In der ersten Reaktion vor fünf Wochen haben wir einen Ausgabenstopp beschlossen und quasi den internen Lockdown eingeleitet. Weil der Rest des Jahres noch nicht konkret planbar ist, haben wir inzwischen Szenarien mit verschieden Varianten eines Spielbetriebs und auch eines ohne Spielbetrieb durchgerechnet. Wir sehen aktuell bei keinem dieser Szenarien ein existenzielles Problem auf uns zukommen und das ist für uns im Moment mal die wichtigste Erkenntnis. Mit welchem Ergebnis wir durch das Jahr kommen werden, ist natürlich noch nicht abzusehen, aber wir werden durchkommen. Da sind wir uns sehr sicher!

 

Wie gelingt Euch das?

 

Jürgen Gehrke: Drei Faktoren sind dafür ganz besonders entscheidend: Der erste und wichtigste Punkt ist die solide Arbeit in den vergangenen Jahren. Wir müssen keine Schulden bedienen, sondern können bei Bedarf sogar auf Rücklagen zurückgreifen. Zweitens können wir selbst in dieser auch für die Unternehmen und Menschen in der Region schwierigen Zeit auf gute Partnerschaften und auf treue Fans bauen. Dafür sind wir sehr dankbar, haben aber gleichzeitig größtes Verständnis dafür, wenn einige davon im Moment auch andere Prioritäten setzen müssen. Jetzt zeigt sich mehr denn je, was die Worte Partnerschaft und Verbundenheit bedeuten. Und drittens nehmen wir natürlich auch die Hilfen in Anspruch, die uns von staatlicher Seite angeboten werden.

 

Vielen Dank für dieses Gespräch und wir hoffen weiterhin auf Unicorns-Football in 2020!

   
   
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